Bahnhof-Geschichte

Die Bahnlinie Riesa-Chemnitz, an der sich Erlau befindet, wurde 1852 in Betrieb genommen. Im gleichen Jahr erhielt Erlau einen Bahnanschluss. Zunächst diente die Strecke dem Reiseverkehr. Mit der Installation eines festen Stationsgebäudes wurde auch der Güterverkehr gestartet. Erlau diente als Versorgunsbahnhof für die Stadt Rochlitz, bis diese selbst an das Eisenbahnnetz angeschlossen wurde.

In Erlau bestand das Bahnhofsgebäude zunächst aus einem kleinen Holzbau. Das heutige Gebäude wurde 1890/91 errichtet. Die mehrteilige Anlage im Stil der Neorenaissance besteht aus einem Hauptgebäude und einem separaten Wirtschaftsgebäude und steht unter Denkmalschutz. Der denkmalpflegerische Wert besteht in der Ursprünglichkeit der Fassade.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 erfuhr die Bahnstrecke Riesa‐Chemnitz eine tiefe Zäsur. Die Reparationsforderungen der Sowjetunion führten zum vollständigen Abbau des zweiten Gleises. Der zweigleisige Wiederausbau startet Mitte der 1980er Jahre.
Im Jahr 1990 verlor das Bahnhofsgebäude aufgrund der Einrichtung eines ca. 100 m entfernt gelegenen Haltepunktes seinen Nutzungszweck. Der reguläre Bahnhofsbetrieb wurde eingestellt.

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Gebäude zwischen Erhalt und Abriss

Bis zum Jahr 1999 diente der Erlauer Bahnhof als Wohnhaus. Nachdem die letzten Mieter ausgezogen waren, standen die Gebäude gut 15 Jahre leer. Der Zustand des Ensembles verschlechterte sich zusehends.

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Mit der Sanierung und Umnutzung zum Generationenbahnhof 2016-2017 begann ein neues Kapitel der Erlauer Bahnhofsgeschichte. Jetzt ist der ehemalige Erlauer Bahnhof wieder ein lebendiges Zentrum und Ort des Ankommens und der Begegnung in Erlau.

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Von der Vision bis zur Eröffnung… und weiter bis heute, Eckdaten

1999

Die letzten Mieter ziehen aus. Ab jetzt steht der Bahnhof ungenutzt leer. Der Zustand des Gebäudes verschlechtert sich Jahr um Jahr. 2010 sind Teile des Gebäudes nicht mehr zu betreten und einsturzgefährdet.

2003

Eine Bürgerinitiative zur Rettung des Bahnhofes bildet sich. Das Gebäude könnte in ein Vereins- und Kulturzentrum umgenutzt werden. Die Initiative scheitert an den Eigentumsverhältnissen – die Deutsche Bahn hat noch technische Anlage im Gebäude, es kann nicht verkauft werden.

2012

Architektur- und Landschaftsarchitekturstudierende der Technischen Universität Dresden nehmen den Erlauer Bahnhof genau unter die Lupe. Eine Entwurfsstudie im Wintersemster 2012/13 liefert gute Ideen und Konzepte für eine mögliche Umnutzung. Die Deutsche Bahn ermöglicht den Studierenden eine Besichtigung der Gebäude und stellt 1000 € für einen Studentenwettbewerb zur Verfügung. Insgesamt 30 Studierende arbeiten in Teams, im Februar 2013 werden 14 Entwürfe eingereicht. Unter dem Titel „Großer Bahnhof – Treffen der Generationen“ erarbeiten die Studierenden Konzepte für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung des Bahnhofsareals. Generationenübergreifende Angebote und Barrierefreiheit sind wichtige Schwerpunkte. Parallel zu den Architekturentwürfen erstellen die Studierenden auch eine Machbarkeitsstudie und erkunden, welche Nutzungen und Angebote in Erlau und der Region zukünftig fehlen bzw. ausgebaut werden können.

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2013

Es bildet sich ein Initiativkreis aus Vertretern der Gemeinde und interessierten Bürgern: Ist es tatsächlich möglich, den alten Bahnhof zu retten? Verkauft die Bahn das Gebäude? Findet sich ein Investor? Könnte die Gemeinde das Projekt stemmen und selbst Gebäudeeigentümerin werden? Wie kann es langfristig wirtschaftlich tragfähig werden? Gibt es Fördermöglichkeiten für die Sanierungskosten? Wie steht es um den Denkmalschutz?

2014

Am 02.04.2014 beschließt der Gemeinderat in einer öffentlichen Sitzung einstimmig, den Bahnhof zu kaufen und das Projekt bis zur Baugenehmigung voranzubringen. Aus dem Initiativkreis heraus wird am 22.05.2014 der Verein Generationenbahnhof Erlau e.V. gegründet. Im Sommer 2014 erwirbt die Gemeinde das Grundstück mit dem Bahnhofsgebäude. Die Planung übernimmt das Dresdener Architekturbüro cooperation4architekten. Alle späteren Nutzer und Mieter werden von Beginnn an intensiv in den Prozess einbezogen. Der Verein bewirbt sich im Programm „Neulandgewinner“ der Robert Bosch Stiftung, die Aufnahme in die zweite Förderrunde erfolgt Ende 2014.

2015

Im Januar 2015 wird der Bauantrag für die Sanierung gestellt, bereits im Mai 2015 liegen alle Genehmigungen vor. Zur 725-Jahr-Feier der Gemeinde Erlau nimmt der Verein am Festumzug teil. Das Projekt „Generationenbahnhof Erlau“ nimmt Gestalt an. An der Bahnhofsruine informiert eine 24/7-Ausstellung über Geschichte und Zukunft des Objektes. Im November 2015 kann die Gemeinde endlich die Fördermittelanträge in der LEADER-Region „Land des Roten Porphyr“ stellen.

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2016

Im Januar starten erste Vorbereitungsarbeiten für die beginnende Sanierung. Am 10.02.2016 feiert Erlau den offiziellen Baubeginn am Bahnhof. Zur feierlichen Übergabe des Fördermittelbescheides im Mai 2016 sind die Bauarbeiten schon in vollem Gange. Das „Baujahr 2016“ hält Höhen und Tiefen bereit: Hausschwamm, Bodenaustausch, Mehrkosten, aber auch überraschend gute Substanz an unvermuteten Ecken, viele Bauberatungen „Tage der offenen Baustelle“, Mitmachaktionen, einen Baustellen-Weihnachtsbaum und viele Absprachen, Abstimmungen, Aushandlungen.

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2017

Der Generationenbahnhof wird in das Modellvorhaben „Regionalität und Mehrfunktionshäuser“ des BMEL aufgenommen. Mit der Förderung soll dem Zentrum ein guter Start in der inhaltlichen Arbeit ermöglicht werden. Die Bauarbeiten schreiten zügig voran, denn zur Eröffnung hat sich der Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt angekündigt. Am 31.07.2017 ist es so weit: Der Generationenbahnhof Erlau wird mit einem großen Fest und fast 500 Gästen eröffnet. Bis zum Einzug aller Nutzer vergehen noch einige Wochen und Monate. Ab September öffnet der Bürgerbereich, im Oktober startet die Seniorentagespflege, Ende des Jahres der ambulante Pflegedienst, im Januar 2018 die Zahnarztpraxis.

2018 – 2019

Der Generationenbahnhof lebt – mit kontinuierlichen Angeboten im Bereich Versorgung und Pflege und einem zunehmend stark frequentierten Bürgerbereich (ca. 100 Veranstaltungen / Jahr mit über 2.500 Besuchern), vielen Angeboten aus Erlau für Erlau, es entstehen Kooperationen mit der Sächs. Landeszentrale für polit. Bildung, der VHS Mittelsachsen, der Volkssolidarität, Vereinen der Gemeinde – auch dank der über die BMEL-Förderung finanzierten Koordinationsstelle. Hauptamt unterstützt Ehrenamt – eine gute Basis für gelingendes Miteinander. Wir sind stolz auf unser Mehrgenerationen-Mehrfunktionshaus im ländlichen Raum! Ende 2019 bemühen wir uns intensiv um eine Anschlussfinanzierung unserer Personalstelle – ohne Erfolg.

2020

Das Ende unserer hauptamtlichen Koordinatorenstelle Ende Februar macht uns große Sorgen – und dann ändert sich alles schlagartig. Eine Pandemie mit massiven Einschränkungen legt erst das Engagement im Bürgerbereich, später auch die Seniorentagespflege auf Eis. Im Herbst 2020 kommt ein weiteres Problem dazu: Unser neu errichtetes Flachdach über dem Erdgeschoss hat Feuchtigkeitsschäden – und wird uns 2021 eine lange Nutzungspause, die Kündigung des Pflegeanbieters, der Gemeinde ein Gerichtsverfahren und dem Verein eine lange Durststrecke bringen.

2022

Im September 2022 feiern wir eine zweite Eröffnung – nach erfolgreicher Dachsanierung. Ein neuer Pflegeanbieter konnte gefunden werden, die Seniorentagespflege öffnet ihre Türen wieder. Leider startet kein ambulanter Pflegedienst von Erlau aus zur Versorgung pflegebedürftiger Menschen. Ab September 2022 können wir dank einer nichtinvestiven LEADER-Maßnahme aus Restmitteln der Förderperiode 2014-2020 unsere Koordinatorenstelle wieder besetzen. Der Bahnhof blüht wieder auf.

2023

Die Angebote im Bürgerbereich erreichen in etwa den Vor-Corona-Stand, was Besucherzahlen und Engagement angeht. Aber: Die Menschen sind unverbindlicher in ihren Zusagen geworden, die Planung der Angebote und Veranstaltungen wird herausfordernder.

2024

Frühzeitig machen wir uns Gedanken, wie es nach dem Ende der Förderung weitergehen kann. Den Bürgerbereich rein „ehrenamtlich“ zu managen, das ist eine große Herausforderung. Für einige Angebote und Bereiche können wir Verantwortliche gewinnen. Wer hat wofür „den Hut auf“? Wir sind uns bewusst, dass wir unser Level an Veranstaltungen und Aktivitäten nicht halten werden können. Einen weiteren Förderantrag stellen wir nicht, die Gründe sind vielfältig. So sind wir ab 2025 – wie so viele Engagierte – im reinen Ehrenamt unterwegs…

2025

Unsere Koordinatorenstelle endete. Ab 01.01.2025 arbeitet der Verein rein ehrenamtlich. Unser Bürgerbüro im Dachgeschoss haben wir Ende Februar aufgegeben. Die Gemeinde vermietet die Räume, es entsteht eine Wohnung. Die Veranstaltungen laufen weiter, auch wenn unser Programm etwas kleiner wird. Über das BULEplus-Förderprogramm „Wissenstrasfer“ bessern wir unseren Internetauftritt, erstellen ein neues Faltblatt und eine Ausstellung über das Projekt. Ein Film entsteht.

…Fortsetzung folgt!

Kurz-Geschichte: Von den Erlauern, die sich aufmachten, einen Bahnhof zu retten – und mehr als das erreicht haben (2019)

„…In einer kleinen Gemeinde im Herzen des Landkreises Mittelsachsen leben die Erlauer. Sie werden weniger, trotz Einbürgerungen und Zuzüge. Und sie werden älter. Sie lieben ihre Heimat und machen sich Gedanken über das Zusammenleben im Ort.

Erlau besaß einst einen schönen Bahnhof. Die Bahn fährt zwar noch, doch das charmante alte Gebäude starb leise vor sich hin.
Die Erlauer verbinden viele Erinnerungen mit dem Haus. Es gehört zu ihrem Ortsbild und zu ihrer Lebensgeschichte dazu.

Eines schönen Tages im Herbst 2012 kam eine Gruppe von Architekturstudierenden. Sie nahm sowohl die Erlauer mit ihren Wünschen und Sehnsüchten als auch die Bahnhofsruine genau unter die Lupe. Die Studis hatten echt gute Ideen, wie man den Bahnhof wiederbeleben und sanieren könnte.

Grundgedanke aller Überlegungen war, dass das Haus das Leben in der Gemeinde bereichern und unterstützen soll. Alt und Jung sollten einen Ort zum Treffen, Austauschen, gemeinsam aktiv sein haben. Die „Alten“ sollten möglichst lange und selbständig oder zumindest gut unterstützt in Erlau leben können. Also – das Thema Pflege war schon mal gesetzt.

Die Erlauer wollten aber kein Pflegeheim oder so was. Ihr Bahnhof sollte ein offenes Haus sein – das öffentliche „Wohnzimmer“ von Erlau.
Neben einer Seniorentagespflege plus Pflegedienst sollte es auch Räume für alles Mögliche geben: Kaffeeklatsch, Vorträge, Kunst, Kreativität, Weiterbildungen – da hatten die Erlauer viele Ideen.

Der Arbeitstitel lautete ab sofort „Generationenbahnhof“. Und so entstand das Konzept, dass Bürger und Profis gemeinsam im neuen Zentrum arbeiten. Die Erlauer wollten gern Dienstleister haben, die das gemeinsame Wirtschaften im Haus unterstützen und leben wollen.

Es waren die Bilder der Student*innen, die dem Wunsch der Erlauer nach der Rettung ihres Bahnhofes neues Futter gaben. Da wurde plötzlich sichtbar, wie das alte neue Gebäude aussehen könnte. Die Erlauer begannen zu träumen: Davon, den Bahnhof zu kaufen, zu sanieren und irgendwann wie früher ein- und auszugehen…

Der Gemeinderat beschloss, das Projekt anzupacken. Die Gemeindeverwaltung nahm eine Menge Geld von der hohen Kante sowie einen Kredit auf und beantragte Fördermittel. Um das Inhaltliche wollte sich ein neu gegründeter Verein kümmern, der Generationenbahnhof Erlau e.V.

Und so kam es, dass die Erlauer plötzlich Teil einer Bewegung wurden und aus ihren Reihen eine „Neulandgewinnerin“ in die weite Welt entsendeten. Gut, dass zu diesem Zeitpunkt die vor ihnen liegenden Strapazen noch nicht absehbar waren! Denn die Erlauer mussten viele Hürden überwinden, und da war Unterstützung wichtig und hilfreich.

Nach 3jähriger Sondierungs-, Planungs- und Vorbereitungs-Zeit – manche Erlauer hatten die Hoffnung längst aufgegeben – wurde im Februar 2016 endlich losgebaut. Die Sanierung plus Außenanlagen plus Straßenbau kostete gut 2 Millionen Euro und war ein wirklicher Kraftakt für alle Beteiligten. Da half es, ab und an zu feiern, wenn wieder was geschafft war!

Bauen – ein Wechselbad der Gefühle! Viele packten mit an, aber ohne Fachleute ging es gar nicht. Brandschutz, Wärmeschutz, Denkmalschutz – und dann noch echter Hausschwamm 🙁  Gut, dass alle Akteure und auch Verwaltung und Behörden immer in einem Boot saßen – und in die gleiche Richtung paddelten.

Nun sind wir schon zwei Jahre im neuen Haus in Aktion! Es gibt gemeinsame Kaffeerunden, Kartenspiel, Gesundheitsvorträge, Workshops zu allem möglichen und das Bürgerbüro im Bahnhof. Der Zahnarzt hat im Gegensatz zu seinen Kollegen in der Kleinstadt Parkplätze direkt vor der Haustür und kann auch Rollstuhlfahrer behandeln.

Die Gäste der Tagespflege freuen sich, wenn sie alte Bekannte aus Erlau wiedersehen – und umgekehrt. Der Bahnhof ist gerettet. Das Haus wird gut angenommen. Aber so ein Projekt ist nicht mit Eröffnung des Hauses beendet. Dann beginnt es nämlich erst…
Wir sprechen uns in 10 Jahren wieder! Dann sind die Erlauer noch ein bisschen älter geworden, und vielleicht noch weniger. Und sie leben gern hier und gehen ein und aus – im neuen alten Erlauer Bahnhof…“